Cloud Computing: Vorteile und Herausforderungen für Unternehmen | Interview mit Cloud-Experte Sascha Haase

Schnell und flexibel: Für wen ist die Cloud interessant?

Die Cloud bietet IT-Expert:innen und Unternehmen viele Vorteile, wenn es um Datenmanagement und Softwareentwicklung geht. Cloud-Experte Sascha Haase erklärt im Interview, wofür die Cloud eigentlich erfunden wurde, welches Potenzial sie noch birgt und wann Unternehmen auf Cloud Native setzen sollten.

Schon seit Jahren dreht sich gefühlt alles um die Cloud. Aber wie ist Cloud Computing eigentlich entstanden?

Cloud Computing ist aus ganz pragmatischen Gründen mit Amazon Webservices (AWS) entstanden, genauer mit dem integrierten S3 Object Storage. Damit Händler:innen auf Amazon Marketplace ihre Produktbilder speichern konnten, hat ihnen Amazon Speicherplatz zur Verfügung gestellt, wo sie Daten einfach unstrukturiert ablegen und parallel wieder abrufen konnten. Bis heute ist dieses Feature sehr beliebt. Cloud Computing, wie wir es heute kennen, baut darauf auf: Die Amazon Server hatten viel Kapazität, die Shopping und Händler:innen die meiste Zeit nicht ausgeschöpft haben. Aus dieser Rechenleistung hat AWS schließlich einen eigenen Service gemacht und anderen Nutzern CPU, RAM und Speicherplatz zur Verfügung gestellt. Mit diesen virtuellen Maschinen war es dann wiederum ganz einfach, Software zu entwickeln, zu testen und anzupassen, ohne selbst zuerst die Infrastruktur aufbauen und betreiben zu müssen. Das war ein enormer Fortschritt in Zugang zu Rechenressourcen, Geschwindigkeit und Flexibilität – für mich der Kern von Cloud Computing.

Und seitdem ist Cloud Computing eine Erfolgsgeschichte?

Technisch affine User:innen waren zumindest diejenigen, die den riesigen Mehrwert zuerst erkannt haben, den die Cloud bietet. Langfristig haben auch andere Unternehmen gemerkt, dass sie von der Cloud profitieren können. Die Beliebtheit von Cloud Computing kommt seitdem allerdings eher in Wellen: Große Internetdienste wie Netflix kündigen zum Beispiel erst an, dass sie in die Cloud gehen und machen diesen Schritt dann wieder rückgängig, weil sie merken, dass sie doch keine Kosten gespart haben. Alles selbst zu verwalten ist wiederum nicht nur kostenintensiv, sondern auch komplex, deswegen geht der Trend dann wieder zum Outsourcing und damit zurück in die Cloud.

Wenn die Beliebtheit von Cloud Computing gar nicht so geradlinig verläuft, welche Vor- und Nachteile hat es denn konkret für Unternehmen heute?

Aus meiner Sicht ist die Flexibilität der größte Vorteil für Unternehmen. Um neue Software auszuprobieren, brauchen sie keine IT-Infrastruktur, sondern nur Zugang zur Cloud. Wenn das Experiment nicht so ausgeht, wie es sich die Verantwortlichen vorgestellt haben, kündigt man eben wieder und bleibt nicht auf langfristig aufgebauter Infrastruktur sitzen. Je nach Geschäftsmodell ist man auch auf diese Flexibilität angewiesen: Entwickler:innen von Spielen fürs Smartphone müssen beispielsweise schnell integrieren und testen können, sodass sie die Cloud kaum gegen eine unflexible starre Infrastruktur austauschen werden. Ein Nachteil der Cloud sind dagegen die hohen Kosten. Andererseits macht man es sich aber auch viel einfacher: Verwaltet man ein eigenes Rechenzentrum, muss man sich um alles selbst kümmern: vom Brandschutz für das Gebäude, in dem sich das Rechenzentrum befindet, über ein Expert:innenteam, die Hardware und das Netzwerk bis hin zur Verwaltungssoftware. Beim Cloud Computing muss man, überspitzt formuliert, dagegen nur eine die Kreditkarte bereitstellen. Für den Betrieb ist es einfach nicht nötig, tiefergehende Kenntnisse zu erwerben. Darin liegt aber auch die Gefahr: Ich mache mich sehr abhängig. Und für wirklich sensitive Bereiche ist Cloud-Computing auch nur eine bedingte Option.

Warum?

Mein Cloud-Provider kann unter Umständen allein anhand der Information, wann meine Kunden oder ich im System aktiv sind, etwas über mein Geschäftsmodell herausfinden, das ich aber vielleicht lieber geheim halten würde. Solche Parameter zu überwachen und auszuwerten ist dabei nicht illegal, weil niemand direkt auf meine Daten zugreift, sondern solche Informationen oft sogar Grundlage für die nächste Monatsrechnung sind. Geschäftsgeheimnisse beziehungsweise Informationen, die Hinweise darauf geben, sollten Unternehmen also von der Cloud fernhalten. Das ist einfach eine sicherheitstechnische Erwägung.

Wie kann man das Problem lösen? Muss man dann auf die Cloud verzichten?

Nein, man muss nur auf das richtige Set-up setzen. Die meisten Unternehmen betreiben weiterhin ihre eigenen Rechenzentren als On-Premise- oder Private-Cloud-Lösung und nutzen außerdem einen Cloud-Anbieter. Wie die Verteilung letztendlich aussieht, hängt vom konkreten Fall ab und ist auch ein bisschen eine Kulturfrage: Unternehmen in den USA setzen zum Beispiel viel stärker auf die Cloud als hier in Deutschland. Die Idee der Multi-Cloud, wo eine Firma mehrere “gleichberechtigte” Cloud-Provider nutzt, entspricht übrigens meiner Erfahrung nach nicht der Realität. So viele verschiedene Systeme zu nutzen ist in der Regel zu komplex.

Ist es dann nicht einfacher, gleich ganz auf eine Private Cloud zu setzen?

Dieser Begriff beschreibt letztendlich nur die Tatsache, dass es ein Unternehmen geschafft hat, die Flexibilität der Cloud zumindest teilweise ins eigene Data Center zu bringen. Um daraus umfassend Nutzen ziehen können, müssen sie sich aber auch öffnen, indem sie etwa den Nutzer:innen Zugang zu den Systemen gewähren und sie flexibel arbeiten lassen. Die technischen Fähigkeiten allein machen noch keinen Wandel in der Unternehmenskultur. Der Hauptgrund, warum eine Private Cloud oft eben nicht die einzige Lösung sein kann, ist die Tatsache, dass die großen Anbieter wie AWS oder Microsoft Azure ganz andere Möglichkeiten haben, mehrere Dienste zu integrieren und dabei auf Nutzerfreundlichkeit zu fokussieren. Das in der Private Cloud nachzuvollziehen ist schwierig, weil es keine kohärente Vision gibt. Unternehmen kombinieren die Services verschiedener Anbieter nach Bedarf, aber die greifen dann eben nicht so ineinander, wie es bei einem einzigen Provider der Fall wäre. Und auch bei der Private Cloud muss man wieder intern die Expertise und Kapazität stellen, sie zu verwalten, von zum Beispiel Datenbankspezialist:innen bis hin zu Identity und Access Management. Große deutsche Unternehmen haben da schon ziemlich erhebliche Abteilung, in denen sich hunderte Fachkräfte mit diesen Themen beschäftigen.

Welches Potenzial birgt die Cloud noch für die Zukunft?

Für die Digitalisierung birgt die Cloud noch großes Potenzial, etwa im Bereich der Verwaltung. Irgendwann werden Prozesse wie das Ummelden eines Autos auch in Deutschland technisch abgebildet sein und Rechenzentrumsleistung verbrauchen – und die verfügbaren Kapazitäten werden deswegen in den kommenden Jahren global um ein Mehrfaches wachsen. Ein anderes vielversprechendes Thema ist Cloud Native Computing, wo es darum geht, zu geringeren Kosten gute Services bauen und integrieren zu können.

Wie funktioniert das?

Cloud Native gehört zum Open-Source-Bereich und vereint die Prinzipien beider Konzepte: die schnelle und flexible Entwicklung resilienter Software, die sich leicht anpassen lässt, die frei verfügbar ist und die Möglichkeit bietet, dass sich alle Interessierten an diesem Projekt beteiligen können. Oft entstehen Projekte aus der Notwendigkeit heraus: Nutzer:innen bemerken ein Problem, für das es am Markt bisher keine Lösung gibt. Das Schöne an Cloud Native ist, dass sich viele Gleichgesinnte zusammentun können, die gemeinsam die richtige Lösung finden, sie kontinuierlich verbessern und der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Darüber hinaus geht es bei Cloud Native auch um Fragen, die im Bereich Softwareentwicklung wichtig sind. Wie liefere ich Software aus? Wie halte ich Software vor? Welches Speichersystem kann ich nutzen? Das alles findet unter dem Dach der Cloud Native Foundation statt, die zur Linux Foundation gehört.

Über die Lösung von Problemen hinaus: Für wen eignen sich Cloud Native Ansätze?

Potenziell können sich alle, die Software bauen, an Cloud Native Projekten beteiligen. Man muss aber bedenken, dass sich Cloud Native Software nicht für alle Anwendungen per se am besten eignet. Der Fokus liegt eher auf Webprojekten oder Software, die für ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Branche relevant und nützlich sind. Viele unserer Kund:innen, die Cloud Native einsetzen, lassen die Software ausschließlich auf ihren internen Systemen laufen. Denen steht aber auch eine entsprechende Plattform zur Verfügung, um die einzelnen Container zu orchestrieren und auszubringen. Cloud Native bringt auch immer ein gewisses Maß an Komplexität mit sich, deswegen sollten die Anwendungsfälle anspruchsvoll genug sein: zum Beispiel verteilte Systeme, bei denen die Software auf mehreren Servern läuft. Wenn ich sie nur für einen bestimmten Maschinentyp brauche, eine Apple Watch zum Beispiel, lohnt sich Cloud Native in der Regel nicht. Dennoch geht der Trend in die Richtung, auch in solchen Fällen Cloud Native Prinzipien anzuwenden – es bleibt also auch in Zukunft spannend, wie sich dieser Bereich weiterentwickeln wird.

Bildquelle: Adobe Stock

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